Nachrichten aus der Provinz Fethiye, den 26.1.02
„ZUM AUSWILDERN“ stand auf der Packung Blumenzwiebeln. Ob so etwas auch auf unserer Stirn geschrieben stand, als wir hierher kamen, wo das Landhaus steht, in Yaka, bei der antiken Stadt Tlos.
Das Eichhörnchen schimpft, wenn wir uns dem Olivenbaum nähern, in dem der Wintervorrat Eicheln versteckt ist. Die wenigen Tage alten Zicklein wackeln erfreut mit den Schwänzchen, wenn ihre Milch- Tankstelle - sprich Ziegenmama - mit kräftigen Stößen angeworfen - läuft. Als wüssten sie nur zu gut, dass nach kurzer Zeit die Quelle versiegen wird: die Mama erhält einen Ziegenbüstenhalter um. Jetzt wollen die Menschen melken.
Die Hecke auslichten: unmöglich! Zu viele Vögel nisten in unserem Vogelasylland. (Das zutrauliche Rotkehlchen hat einen türkischen Namen, den man sich leicht merken kann: Mit Henna = Kinali) Dann also mal den Schuppen aufräumen: geht nicht! Hinter den Kartonagen halten Dutzende von Geckos Winterschlaf. Den Komposthaufen endlich „ordentlich“ anlegen: Stopp, da bewegt sich was, und fast hätte die Mistgabel eine Erdkröte gespießt. Was bleibt dann vom Aktivitätsschub übrig?? Sich in der Sonne am Schwimmbadrand wärmen wie der erste mutige Seefrosch, der schon seit Tagen Frühlingsgefühle hat. Und gegen Abend Holz hacken und den Ofen anmachen. Rotwein und Kerzenromantik. (Dass wir seit dem letzten Sturm vor Tagen keinen Strom und kein Telefon haben, brauche ich nicht extra zu erwähnen).
Strahlende Sonne und klares Winterlicht! Vergessen die „Weiße Weihnacht in Athen“...., mit Regen, Regen, Regen, Stürmen und Frostnächten. El Nino lässt grüßen! Schwere Zeiten in der Wirtschaftsflaute. Das Geld reicht vielen Stadtbewohnern nicht einmal für die Miete. Das Heizmaterial wird nur „mit dem Kilo“ - kiloweise gekauft. Angst um die Arbeitsplätze bei allen Angestellten. Erst recht wird die letzte Lira beim Lotto verspielt. Und die Börse boomt schon längst wieder.
Eine Katastrophe, wenn es im Januar mal keine Tomaten gibt? In Europa sollen sie schon 5 Euro (wir sagen hier „Juro“) für das Kilo bezahlen. Kein Wunder, wenn die Landwirte auch in höheren Lagen Treibhäuser bauen, um dann nachts Brandholz in Mengen zu verbrauchen, bei solchen Preisen.
So dicht bei den Ruinen antiker Hochkulturen wohnend ist es im Sommer doch vergleichsweise leichter und angenehmer Kulturangebote wahrzunehmen:
Die Herzen vieler Zuschauer erfreut hat wieder Ende Mai das große Staatsorchester auf Tournee im improvisiert hergerichteten antiken Theater von Fethiye (Telmessos) mit Musik von Klassik bis Westsidestory. Unter den über 60 Musikern waren ein Drittel Frauen, an der Harfe saß ein junger Mann.
Für einen Volksauflauf aber sorgte Ibo „Tatlises“ („süße Stimme“) mit einer Kostprobe seiner Oriental- Schnulzen am Strand von ölü deniz, Werbung nicht nur für seine Imbisskette inklusive.
Kostenlos für alle und dann von Tausenden Familien mit Kindern genutzt brachte der 1.Juli - der Tag der Schifffahrt - eine Mondscheinfahrt auf dem Meer. Bis weit nach Mitternacht wurde getanzt, geklatscht, gefeiert. Das geht auch ganz ohne Alkohol und auch ohne Heiligen als Patron.
Neues von der Antikenfront: in Xanthos und Letoon waren in diesem Sommer wieder die Franzosen: in Letoon werden Teile des größten Tempels aufgerichtet. Das Theater in Myra wird durch die Restaurierung noch beeindruckender: viele bisher nicht gezeigte Maskenfunde werden wieder ein-gebaut. Bleibt zu hoffen, dass der Lebensraum der in Frösche verwandelten Bauern -nachzulesen bei Ovid -erhalten bleibt.
Und einen über 1 m großen Scheltopusik konnten wir im Herbst aufgreifen, na, neidisch?
Im Mai fand Neclas Hochzeit auf dem Dorf statt. Mit Spannung warteten die Gäste auf die Braut nebst Brautjungfer, die vom „Kuaför“ zurückkommend bis zur Unkenntlichkeit „verschönt“ war, mit fast weißem Teint und viel Schminke, bodenlangem weißem Kleid mit rotem Band um die schlanke Taille. Fröhlich die Tänze bei den Frauen, traurig die Abschiedsszenen - auch wenn es nur ins Nachbardorf geht. 5 Monate später treffen wir Necla wieder: die Taille ist nicht mehr so schlank...“so im 5. Monat“. Die neue Familie ist sehr nett, die Wohnung toll, nur das Arbeiten im Treibhaus sei so schwer. Und da fand sich prompt eine Ärztin, die meinte das Baby könne mit einem Loch im Herzen geboren werden, wenn sie weiterhin im Treibhaus arbeiten würde. Nun bleibt der werdenden Mutter Zeit, Kopfkissen zu umhäkeln und auch schöne Kopftücher - für den Fall, dass wir mal wieder vorbeischauen.
Und zum Schluß noch ein großes Danke: an alle mit denen wir gemeinsam ein paar schöne Stunden verbrachten, gewandert sind, geschwommen sind, getanzt haben, - mal mit Jazz in Bonn, mal mit Zigeunermusik in Fethiye auf dem Schiff Ulis Geburtstag gefeiert haben. Und danke für die Nicht-geschenke, Sach- und Geldgaben. Vielen konnten wir wenigstens etwas helfen, einigen Schulkindern die Schulausstattung finanzieren, und die alte Dorfschule in den Bergen erhielt einen neuen Anstrich .
Wir wünschen, dass alle gesund und munter bleiben. Und wir noch viele Feste gemeinsam feiern werden
Es grüßt Euch herzlich ULI + VERA.
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